top of page

Eine Berberhochzeit - Wie im Steinzeitalter aber doch so traditionell einzigartig...

Wir schreiben das Jahr 2017, jaaahhh ich weiß, knapp 2018.... :-)

Obwohl sich Marokko immer weiter nach vorne entwickelt, speziell Marrakesch mit all seinen goldenen Nachtclubs, Edelboutiquen, schimmernden Palästen und Stars die von überall her einfliegen, weht nur eine Stunde weiter entfernt eine ganz andere Brise...

Und zwar die der Amazight, der Berber die hoch im Atlas leben.

Bei uns in den Bergen, in Imlil, wenn man es mit sehr abgeschiedenen höher gelegenen Dörfern vergleicht, einem doch sehr touristisches Dorf in dem sich viele internationale Gäste auf dem Weg durchs Gebirge oder hoch zum Toubkal tummeln, ist trotzdem für uns noch eine schwer zu verstehende und auf irgend eine Art und Weise " so andere" Tradition bis heute Brauch und Sitte...

Und zwar die traditionellen Hochzeiten....

Während einige uralte Traditionen vieler Nationen und Stämme heute so fast gar nicht mehr in Brauch sind, ist dies hier bei uns noch ganz anders. Auch wenn Imlil durch seine täglichen Touristen die durchs Dorf kommen um hoch zum Toubkal zu klettern, immer moderner wird, legt man trotzdem noch großen Wert auf das Einhalten der Amazight Kultur, sogar noch mehr Wert als zur Religion.... Eine Kultur die so ganz anders ist wie unsere, noch sehr familiär, traditionell und einzigartig... Die Vermählungen im Atlas sind von Region zu Region in Ritualen, Zeremonien und Bräuchen trotzdem ganz anders. Genauso wie wir in Europa auch unsere Hochzeitstraditionen feiern- Oder auch nicht :-)

Und wie man in Imlil heiratet, das erzähl ich dir jetzt :-)

Bei uns daheim, in Europa, lernt man sich ganz easy kennen, in Bars, Diskos, auf der Strasse, auf Facebook, im Zug oder durch Freunde. Man sieht sich, mag sich leiden,tauscht Nummern aus, schreibt auf WhatsApp und trifft sich auf einen Kaffee oder geht ins Kino. Den frisch verliebten Täubchen steht ihrem Liebesglück also nichts mehr im Wege. Unsere Eltern sind froh wenn wir happy sind, würden uns keinen Riegel vorschieben, auch wenn sie nicht 100%ig mit unserer Partnerwahl zufrieden wären- In den meisten Fällen!

Wir schlafen zusammen in einem Bettchen, fahren in den Urlaub, besuchen uns gegenseitig Zuhause und ziehen irgendwann mal zusammen in eine gemeinsame Wohnung, bekommen kleine süsse Kindchen , auch ohne Trauschein und sitzen auf Wolke 7...Und wenn es mal nicht mehr so klappen sollte, wie man es sich eigentlich mal vorstellte, was natürlich traurig wäre, dann trennt man sich oder lässt sich scheiden und teilt sich das Sorgerecht für die lieben Kleinen- Schließlich herrscht ja bei uns auch eine Gleichberechtigung...

Hier ist das etwas anders, hmmm "etwas" ist vielleicht etwas milde ausgedrückt, ich würde sogar sagen GANZ anders...

Aus Respekt zu den Älteren, der Religion und dem Namen der Familie trifft man sich mit dem anderen Geschlecht nicht einfach so in der Öffentlichkeit. Auch nicht Zuhause, weil es diese Möglichkeit nun überhaupt nicht gibt, da ja jeder noch mit seiner Familie zusammen wohnt, und das auch noch auf engstem Raum. Was aber niemanden weiter stört da man es ja von Geburt an so gewöhnt ist. Man ist nie alleine und hat immer Gesellschaft.

In manchen Fällen kommt man zufällig im Internet über Facebook in Kontakt, da man dort gemeinsame Freundschaften pflegt oder man sieht sich durch Zufall mal draußen auf dem Weg beim Grass oder Feuerholz einsammeln oder in der Nähe des Hauses. Gewöhnlich ist es aber so, das der junge Mann mal irgendwo ein Mädchen gesehen hat, dass ihm gefiel oder einer seiner Kumpels schlug ihm vor, dass es dort ein hübsches Mädel in der Nachbarschaft oder im nächsten Dorf gebe, die er doch heiraten sollte. Auch wenn es keine weiteren Ansprüche gibt, so wie wir sie hätten, wie zum Beispiel welchen Job sie hat, Bildung, Charakter, so ist hier nur das Aussehen und die Einstellung wichtig, schön und tüchtig muss sie sein- und auch Berbermädchen sind ja von Natur aus eigentlich alle schon sehr hübsch, viele von ihnen haben oft rotschimmerndes kastanienbraunes Haar mit grünen oder blauen Augen-

Ganz anders als bei den Arabern :-)

Ja aber wieso stellt er denn keine weiteren Anforderungen? Na weil er ja schon weiß, das sie eventuell nicht mal zur Schule ging und wenn dann nur ein paar Jahre, ihr ganzes Leben Zuhause in der Küche, beim Sauber machen, Kinder hüten, Grass und Feuerholz holen verbracht hat. Ein einfaches simples Mädel halt, das zwar nicht viel weiß, so wie es jemand aus der Stadt jetzt würde, aber sie ist natürlich auch um einiges umgänglicher und bei seiner Mama Zuhause gut als Hilfe zu gebrauchen. Ihr fast gesamtes Leben wurde sie von ihrer Mutter darauf vorbereitet später eine gute Ehefrau, Mutter und Hausfrau zu spielen ohne sich zu beschweren oder zu jammern. Und wenn dann mal jemand kommt und heiraten will, dann freut man sich riesig! Man ist ganz aufgeregt am 3. Hochzeitstag endlich mit zu ihm nach Hause zu ziehen, dann dort zusammen mit seiner ganzen Familie zu leben und zu helfen, auch wenn man bis dahin noch niemanden kennt. Sollte ihr Ehemann es aber irgendwann mal schaffen etwas Geld zusammen zu bringen, wird er sich ein eigenes Haus bauen. Aber natürlich auch nebenan oder im gleichen Dorf.

Im Großen und Ganzen liegen die meisten Männer der neueren Generation den Frauen des Dorfes aber um einiges voraus, da sie es sind, die direkten Kontakt zu Touristen haben...Die Frauen sieht man meistens nur wenn man zum essen ins Haus kommt, aber nicht so oft mitten im Geschehen....

Also wenn ihm dann eine gefallen hat, schickt er einen älteren Herren aus dem Dorf zum Haus der "in Frage kommenden" um nachzuforschen, wie denn die Chancen auf eine Hochzeit stehen....Jetzt fragst du dich vielleicht warum es denn ein älterer sein muss und keiner in seinem Alter? Es würde von der Familie nicht ernst genommen werden wenn da aufeinmal ein junger Bursche aus der Nachbarschaft stehen würde,der für seinen Kumpel eine Frau sucht. Da tut es ein erfahrenerer, gestandener Herr mit eigener Familie doch schon besser :-) Schließlich will kein Vater seine Tochter irgendeinem Jungen aus der Gegend versprechen, der dann nach ein paar Tagen oder Wochen wieder verschwunden ist.

Sollte ihr Vater einer Hochzeit zustimmen, wird dem Jungen mitgeteilt mit seinen Eltern zu kommen um ganz offiziell, und so wie es sich ja auch gehört, um die Hand der Tochter anzuhalten. Bei solchen Besuchen werden meistens Honig, Nüsse und Zucker mitgebracht. Und ähhhh, wieso denn Zucker? Das fragte ich mich genauso wie du. Und zwar sagt man bei den Amazight, das ein Berber-Charakter so süss wie Zucker sei, er hat etwas nettes und aufrichtiges an sich, etwas süsses das jeder gerne hat, genauso wie Zucker halt :-) Und natürlich kann man ihn auch super gebrauchen, da man in Marokko blockweise Zucker im Tee trinkt und ja auch ständig jemand auf eine Tasse frisch gebrühten Minztee vorbei schaut.....

Und ja, dieses Treffen im Haus des neuen Schwiegervaters ist somit dann auch gleich die Verlobung....Alle treffen sich zum ersten Mal und Jung und Mädel, die meistens erst zwischen 14 und 22 Jahre alt sind, sitzen dann das erste Mal im gleichen Raum zusammen.... Es wird Tee getrunken , eventuell gespeist und natürlich über die Hochzeitsplanung gesprochen. Diese ist meistens in maximal 6 Monaten vollbracht, sobald das Geld zusammen gespart wurde das man dazu benötigt. Denn obwohl man ja in Marokko, speziell in den Bergen, günstiger lebt als jetzt in der Stadt oder bei uns in Europa, sind auch Hochzeiten hier sehr teuer. Es wird von beiden Familien je eine Kuh gekauft die am Hochzeitstag geopfert wird. Und warum kein Kaninchen, Ziege oder Schaf? Ja weil doch das ganze Dorf eingeladen wird das man nur mit einer Kuh satt bekommt :-)

So wie wir es aus anderen Kulturen oft hören, wird hier das Fest aber nicht vom Mann alleine getragen, nein, beide Familien helfen mit Geld zu sparen.

Und ja, jetzt können die beiden sich ja endlich öffentlich treffen, sie heiraten ja bald...

Nix da!

Es ist dem Verlobten zwar erlaubt manchmal zum Mittag oder Abendessen vorbei zu kommen, so 2-3 Mal vor der Hochzeit, da kann er dann auch ganze 15-20 Minuten mit seiner baldigen Gemahlin alleine in einem Zimmer sein um sich kennenzulernen und über ihr Fest zu sprechen....

Bei uns ist es ja so, dass wir ja offiziell verheiratet sind, sobald wir die Hochzeitsdokumente beim Standesbeamten unterschrieben haben..Das ist hier in Imlil zwar auch so, trotzdem glaubt jeder, dass man erst an den 3 Tagen des Hochzeitsfestes miteinander liiert ist.....

Und wie wird jetzt genau geheiratet?

Also wie ich im Vortext schon erwähnte, besteht das Hochzeitsfest aus 3 Tagen.

3 Tage bei beiden Ehepartnern Zuhause. Es wird kein Saal oder Restaurant gemietet wir wir es tun würden, auch gibt es keine Hochzeitsreise... Man feiert schön Zuhause, die ersten 2 Tage sogar getrennt voneinander... Am ersten Tag nur mit der Familie, am zweiten Tag werden dann alle Männer des Ortes zum Mittag eingeladen

( genügend Fleisch gibt es ja Dank der frisch geschlachteten Kuh) und alle Damen und Kinder der Nachbarschaft kommen am Abend zum Essen, tanzen, quatschen und freuen sich. Es wird die beste Kleidung getragen die man Zuhause hat, eine schöne Jellaba ( Dschellaba), das lange Gewand in vielen verschiedenen Farben was du bestimmt schon mal bei Arabern gesehen hast, und die Braut wird mit Henna an Füßen und Händen verschönert....

Am 3. Tag schickt der Bräutigam dann entweder ein paar Familienmitglieder oder Freunde los, die seine Frau auf dem Maultier zu ihm nach Hause bringen sollen. Schließlich werden sie ja ab sofort zusammen leben, so wie Mann und Frau das ja tun. Obwohl der Unterschied hier ist , dass sie ihr neues Zuhause noch nie zuvor von innen gesehen hat....

Auch ist es ein paar Mitgliedern ihrer Familie gestattet, mitzukommen und zu feiern. Allen leider nicht, da ja auch noch viele andere, nahe stehende Gäste eingeladen sind....

An diesem letzten Tag der Hochzeit verdeckt die Braut ihr gesamtes Gesicht damit auch niemand der Männer die Chance bekommt, sie regelrecht anzuglubschen, da sie ja heute extrem schön gemacht wurde....Das ist aber nicht überall so.

Und genauso wie wir es schon aus der islamischen Kultur her kennen, wird auch hier von dem Paar, das sich ja eigentlich überhaupt noch nicht richtig kennt, erwartet in der gleichen Nacht miteinander zu schlafen. Dies ist eine Anforderung die einfach getan werden muss, damit man am nächsten Morgen entweder im Bettlaken oder im Höschen des Mädels sieht, ob sie noch Jungfrau war.. Und nicht nur das, auch ob der Mann denn in der " Lage" ist, Kinder zu zeugen und vorher von niemandem verflucht wurde...Also müde sein oder einfach nicht wollen, sich vielleicht etwas Zeit lassen, funktioniert hier in dieser Nacht nicht, was für uns natürlich etwas schwierig vorstellbar ist....

Aber eine Tradition ist eine Tradition und wenn man nichts anderes kennt als diese, dann ist es einfach normal für einen und widersprechen möchte man ja auch nicht. Der gerade erschaffene Haussegen soll ja nicht gleich am Anfang schon schief hängen..

Was passiert denn eigentlich wenn dieser mal schief hängt?

Ja dann kommen alle Familienmitglieder zusammen und versuchen das Problem zu richten. Man weiß und versteht ja auch, dass es am Anfang Probleme geben könnte, zwischen Mann und Frau oder auch seiner Familie und ihr. Schließlich kannte man sich ja gar nicht und aufeinmal lebt man in einem neuen Haushalt den man vor dem 3. Tag der Hochzeit niemals von innen, und vielleicht auch nicht mal von außen, gesehen hat... Man bekommt von der Schwiegermutter Arbeiten aufgetragen die einem vielleicht zu schwer sind, man vermisst seine Familie oder man versteht sich einfach nicht mit dem Ehemann. Sollte dies aber nicht zu richten sein und die Gefahr bestehen, dass es noch schlimmer werden könnte, dann kann man sich natürlich scheiden lassen. Ich hab mal gehört, dass es keinen Zwang gibt, für immer zusammen zu bleiben wenn die Ehe nicht glücklich ist...Die Berber wissen aus Erfahrung heraus, dass die erste Hochzeit mittlerweile nur noch eine Art Trainingscamp ist obwohl man natürlich auch gerne sieht, das ein Paar bis zum Lebensende zusammen bleibt.

Und obwohl man sich ja jetzt eigentlich freuen könnte, das es in den Bergen nicht so den Druck gibt wie zum Beispiel bei anderen islamischen Familien, dass die Frauen mehr Rechte haben sich mitzuteilen und Entscheidungen zu treffen, wird es für diese trotzdem sehr schwierig sein, jemals wieder zu heiraten da sie ja keine Jungfrau mehr ist und zudem schon älter als normal ist und dies würde von niemandem mehr so einfach akzeptiert werden. Wer will denn schon eine Frau, die schon mal mit einem anderen Mann zusammen war?!

Und sollte es bereits Kinder in der Ehe geben, bleiben die mit Sicherheit bei ihm, da es laut Religion heißt: Die Kinder gehören dem Vater. Kein geteiltes Sorge,- oder Besuchsrecht. Es würde nicht mal einen Grund geben vor Gericht zu ziehen. Sie muss alleine zu ihrer Familie zurückkehren und sieht ihre Kleinen meistens nie wieder, da diese ja dann bald schon eine neue Stiefmutter bekommen....Fuer den Mann ist es halt nicht so schwierig eine neue , junge, schöne Frau zu finden..

Dies geschieht aber auch nur wenn der Ehemann auf seine Kinder besteht, in manchen Fällen lässt er sie aber auch schon mit der Mutter zusammen leben.

Aber Imlil entwickelt sich immer weiter voran, mehr als die Dörfer die weiter oben abgeschnitten in den Bergen liegen. Schon alleine dadurch, dass viele Jungs hier seit dem Kindesalter mit Touristen aufwachsen und somit auch mehr Kontakt zur "moderneren Aussenwelt" bekommen , wird sich diese, für uns noch so harsche Hochzeitstradition, auch langsam auflösen und alles wird etwas gerechter und lockerer vollbracht...

Mein Bergführer zum Beispiel, den ich schon seit 7 Jahren kenne und in sehr guter Freundschaft und Zusammenarbeit stehe, leidet auch schon seit ein paar Jährchen unter dem Druck seines Vaters doch jetzt endlich mal zu heiraten, schließlich ist er ja schon 25.. Er soll doch endlich eine Frau nach Hause bringen die seiner Mutter im Haushalt hilft und das Grass für die Tiere sowie Feuerholz heim bringt. Aber wenn man zwischen 2 Welten aufwächst, in dem traditionellem Dorf wo man dann mit schon Tausenden an Touristen durch die Berge gestiefelt ist, eine andere Denkensweise, Moderne und Einfachheit kennen lernte, dann wird es immer schwieriger sich noch ein braves, einfaches Mädchen aus der Nachbarschaft auszusuchen mit dem man nicht viel teilen kann, mit der man nicht bei einem Glas Wein über Gott und die Welt spricht....Aber da bin ich sehr stolz auf ihn das er seinem Daddy da hart gegenüber steht und sich bei der Wahl seiner Zukünftigen Zeit lässt :-) Denn oft wird wirklich nur geheiratet weil die Eltern das so erwarten, man will nicht widersprechen und ist sich aber auch nicht im Klaren das man mit dem neuen Partner jede Nacht das gleiche Bett teilen muss und eigentlich ein ganzes Leben zusammen bleiben sollte...

Und schon entstehen die Probleme und viele Scheidungen folgen...

Recent Posts
Archive
Search By Tags
No tags yet.
Follow Us
  • Instagram - Grey Circle
  • Facebook - Grey Circle
bottom of page